Die Emergenz des Sensitiven Wahns
Der sensitive Wahn zeigt sich bei Personen mit sensitiver Persönlichkeit auf progressive Art und Weise, nach einer Ausstoßung oder einer Abwertung aus dem Umfeld. Diese Ausstoßung oder Abwertung mag in manchen Fällen lächerlich erscheinen, doch hat sie folgenschwere Auswirkungen auf das ausgeprägte Selbstbewusstsein des Betroffenen, der ein sehr sensibles Wesen ist. Er wird mittel- bis langfristig zu der Gewissheit kommen, von seinem Umfeld ausgestoßen und abgewertet worden zu sein.
Die erfahrenen Beleidigungen können beispielsweise aus dem beruflichen Umfeld herrühren, es kann sich aber auch um innere Konflikte handeln, um sexuelle Gewissensbisse (schlechtes Gewissen, Homosexualität, Untreue, Selbstbefriedigung…). In jedem Fall resultieren sie in einer Selbstentwertung des Betroffenen, der, um dem starken psychischen Druck standzuhalten, durch die für sensitive Personen charakteristische Inversion den Anderen die Kritik und die pejorativen Bemerkungen zuweist.
Diese Demütigung erschüttert das ganze Wesen des Sensitiven. Ununterbrochen vergleicht er seinen eigenen Status mit dem von anderen, was sich in ausgeprägtem Grübeln äußert. Durch Grübeln versucht der Betroffene, sein angegriffenes Selbstbild (die Beleidigung) zu kompensieren. Es ist Ausdruck der zentralen und im wahrsten Sinne schwindelerregenden Frage für einen Sensitiven, nämlich auf der Höhe zu sein. Es ist umso ausgeprägter, je stärker die Sensitiven schmerzhaft versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Dies kann die Ursache sein für beleidigt sein, unverständliche Passivität und alle Arten von unerklärlichem Wiederstand.
In Ruhe über das Erlebte zu reden wird einerseits einen Großteil des psychischen Drucks von dem Betroffenen nehmen und die schwere des Ereignisses auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Andererseits ist die genaue Kenntnis der Bedingungen der Entstehung des Wahns von großer Wichtigkeit für den Behandelnden Psychiater, der dadurch eine gegenüber anderen Störungen differenzierte Diagnose stellen kann.