Willkommen auf der Seite der Kretschmer’schen Sensitiven 
und ihrer Anverwandten

Über diese Seite :

Diese Seite wurde ins Leben gerufen, um psychisch Kranke und deren Angehörige über die von Kretschmer beschriebene Krankheit zu informieren, mit dem Ziel, ihr Leid zu mindern.

Diese Seite richtet sich an PatientenSie werden sich vielleicht wiedererkennen in den beschriebenen Persönlichkeitszügen, in den Störungen unter denen sie leiden oder in ihrer Art die Anderen zu „beurteilen“, wenn sie auf Hindernisse in ihrem Leben stoßen.

Diese Seite richtet sich an ihre AngehörigenWie wir später sehen werden, ist die Mitarbeit der Angehörigen während der gesamten Dauer der Störungen in zahlreichen Bereichen von großer Wichtigkeit für die Verbesserung des Zustands des Patienten. Sie müssen ihm vor Allem Aufmerksamkeit und Zuwendung entgegenbringen, und dies trotz seines manchmal schwer auszuhaltenden Verhaltens.

Die Regelmäßige Behandlung bei einem Psychiater ist unabdingbarNur die enge Zusammenarbeit von Arzt, Patient und Angehörigen ermöglicht einen schnelleren Fortschritt.

Wer sind die Kretschmer’schen Sensitiven?

Die Kretschmer’schen Sensitiven sind hochsensible Personen deren psychische Störungen von dem deutschen Psychiater Ernst Kretschmer (8. Oktober 1888 – 8. Februar 1964) beschrieben und erforscht wurden. Er hat die diese Personen kennzeichnenden Charakterzüge unter dem Begriff «sensitive Persönlichkeit» zusammengefasst. Diese Störungen sind eine sensible Form der Paranoia. Man nennt sie «sensitive Paranoia» oder «Sensitivität».

Die Folgen dieser Krankheit sind sowohl für den Patienten als auch für dessen Angehörige sehr schmerzhaft: Berufliche Probleme, seelisches Leid, Grölereien, Einsamkeit, Belastung von Beziehungen, gefährliche Verhaltensweisen bis hin zur Selbstmordgefahr, vor allem in hochdepressiven Phasen.

Diese Störungen sind oft aufgrund ihrer Seltenheit, Vielgestaltigkeit und Unterschiedlichkeit von Person zu Person schwer zu diagnostizieren und leicht mit anderen Störungen verwechselbar.

Die sensitive Paranoia, wie sie E. Kretschmer beschrieben hat, kommt nicht häufig vor, sie ist jedoch nicht selten. In der letzten Ausgabe seines Buchs „Der Sensitive Beziehungswahn“ (1950) erläutert E. Kretschmer: „Unsere langjährige Erfahrung hat uns ermöglicht, uns eine relativ klare Meinung über die Häufigkeit des sensitiven Beziehungswahns zu bilden. In der Tübinger Nervenklinik findet man pro Jahr einen oder zwei  eindeutige Fälle sensitiven Beziehungswahns vor.“ Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass Fälle sensitiver Persönlichkeiten oder sensitiver Neurosen weitaus häufiger vorkommen.

Entwicklung des Begriffs der sensitiven Paranoia

Der Kern dieser Krankheit ist recht genau definiert, ihre Konturen jedoch sind oft unklar. E. Kretschmer selbst hat die bestätigt, dass es keine klaren Grenzen zwischen sensitiver Paranoia und anderen psychischen Störungen gibt. Seinerzeit rührte die Entstehung von Wahn oft aus inneren Konflikten zwischen Ethik und Sexualität. Diese Psychosen entstanden in einer von ihrer eigenen Sexualmoral gefesselten Gesellschaft. Heutzutage ist diese Thematik breiter gefächert, doch immer noch von einer verurteilenden Moral beeinflusst.

Seit Kretschmer im Jahre 1919 haben sich zahlreiche Psychiater und Forscher mit dem Studium und der Analyse des Konzepts der sensitiven Paranoia befasst. Zu dieser Zeit waren Neuroleptika und Antidepressiva noch unbekannt. Ihre Einführung in die Behandlung psychisch Kranker im Jahre 1952 hat eine neue Sicht auf die alten Konzepte ermöglicht.

G. CHARBONNEAU weist darauf hin [1], dass „der sensitive Beziehungswahn in seiner historischen, von E. Kretschmer beschriebenen Form, nicht häufig vorkommt. Sie galt manchen als überholt, weil sie gewisse Eigenschaften des moralistischen Diskurses ihrer Zeit, sowohl auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Integration als auch auf dem Gebiet der Freiheit der Sexualität, ausdrückte. Diese Krankheit ist jedoch in ihren Teil- und Nebenformen bzw. sogar iterativen Formen Kretschmer’sche Themen die immer mal wieder vorkommen und selten dem Stand der Zeit angepasst werden) weitaus weniger selten. Elemente der Sensitiven Paranoia sind regelmäßig anzutreffen bei Depressionen und vor allem chronischen Depressionen, bei denen Persönlichkeitsfaktoren eine Rolle spielen. Diese sensitive Paranoia nimmt meistens die Form einer chronischen depressiven Störung an, bei der chronische Erschöpfbarkeit und ständiges Grübeln zusammen kommen.“

Die Anverwandten

R. ARNAUD-CASTIGLIONI, J.-C. FISHER, P. RAYMONDET, P. CALVET, J. C. SCOTTO haben «den instabilen Wahnsinn» beschrieben [2], der Patienten mit sensitiver Persönlichkeit befällt, der jedoch chronische halluzinatorische Psychosen mit sich bringen kann. Diese instabilen Wahnvorstellungen ähneln dem akuten dissoziativen Wahnsinn, eine andere von Kretschmer beschriebene klinische Form der Sensitivität, die seltener als der Beziehungswahn ist. Antidepressiva können sie beeinflussen.

Medikamentöse Behandlung

Eine von einem Psychiater verschriebene spezielle Behandlung ist unbedingt notwendig. Es gibt wirkungsvolle Medikamente (Antidepressiva, Neuroleptika usw.), doch die individuelle Anwendung, die sehr heikel sein kann, muss sorgfältig geprüft werden. Zu einer Psychotherapie wird ebenfalls sehr geraten.

1. Approche phénoménologique de la paranoïa  sensitive de E. Kretschmer. Le cas Edgar Charles. Pratiques psychologiques. 2007.Fasc : 2. Pages 153-167
2. Les délires instables, Psychologie médicale,1988, 20,10,. Pages 1431-1433